Tunnelblick mit Zuversicht
Hermann-Hesse-Bahn: Inbetriebnahme wird konkreter
Inzwischen ist es unübersehbar: Die Bauarbeiten entlang der Eisenbahnstrecke Calw - Weil der Stadt schreiten fast überall voran. Tunnelführung Forsttunnel am 10. Mai 2024.
Auch für die Lösung der Naturschutzfragen nimmt die technische Umsetzung Gestalt an. Das erfuhren die Teilnehmer der Tunnelführung am vergangenen Freitag in Althengstett, die auf den Spuren der historischen wie modernen Bahnverbindung wandelten. Die Eröffnung des Zugverkehrs wird nun für den Lauf des Jahres 2025 angestrebt. *
Es tropft, es rieselt, es plätschert: Wasser ist an einigen Stellen allgegenwärtig im Forsttunnel, dem mit fast 700 Metern längsten Tunnelbauwerk der Württembergischen Schwarzwaldbahn zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und Calw. "Der Grundwasserspiegel ist im Winter um zwei Meter gestiegen, das war in den Vorjahren anders", sagt Holger Schwolow, der Technische Geschäftsführer des Zweckverbandes Hermann-Hesse-Bahn beim Landkreis Calw. Schwolow muss es wissen, der Verkehrsgeograf begleitet und steuert seit 2009 Planung und Wiederaufbau der über 150 Jahre alten Bahnstrecke, die nun auch im Abschnitt Calw - Weil der Stadt für das 21. Jahrhundert fit gemacht wird. Zwar hat die vom Zweckverband beauftragte Spezialfirma zwei Jahre lang das historische Gewölbe saniert und dabei auch die Wasserabflüsse neu gefasst. "Aber wir sind hier in einer wasserführenden geologischen Verwerfungszone, das kriegt man nie ganz trocken", erläutert Projektleiter Schwolow.
Neben ihm selbst konnten am vergangenen Freitag auch über 50 Teilnehmer der Tunnelführung ihre Eindrücke sammeln. Denn die Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn (B.A.U.S.), eine Initiative aus Renningen, hatte gemeinsam mit der Gruppe Calw des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) zur Besichtigung des Tunnels eingeladen. "Vermutlich die letzte Gelegenheit, sich das Bauwerk von innen anzuschauen, bevor wieder Züge fahren", so Hans-Joachim Knupfer (Leonberg) von der Bürgeraktion:
"Genießen Sie diese einmalige Chance nach 150 Jahren." Auch Althengstetts Bürgermeister Rüdiger Klahm ließ es sich nicht nehmen, die Gäste auf "seinem" Bahnhof zu begrüßen. Er verwies freudig auf den entstehenden neuen Bahnsteig und sagte zu, eine gute örtliche Verknüpfung mit dem Busverkehr in die Teilorte im Auge zu haben.
Reges Interesse der Besucher, die teils sogar aus Horb und Öhringen kamen, fand die Beschreibung der kommenden "Fledermauskammer": einer druckdichten Trennwand. Die wird künftig etwa ein Drittel der Tunnelröhre der Länge nach so abtrennen, dass die Fledermäuse, die den Tunnel als Winterquartier und Schwärmraum nutzen, sich in "ihrem" Teil des Tunnels ungefährdet durch den Zugverkehr tummeln können. Damit das gelingt, haben die Planer einen Trick vorgesehen: Die Röhre für die Eisenbahnzüge wird an beiden Enden des Tunnels künstlich um gut drei Dutzend Meter verlängert, der Fledermausbereich aber nicht. Unter Fledermauskundlern wird daher gehofft, dass die Flugtiere sich von ihrem angestammten, wenn auch jetzt schmaleren Winterdomizil stärker angezogen fühlen als von der Zugröhre. "Wir haben das schon vor rund fünf Jahren zunächst mit einem Provisorium erprobt, da hat das schon sichtbar geklappt", so Schwolow. Außerdem seien die Kleinsäuger durchaus neugierig und lernfähig: In den Ersatzquartieren, die der Landkreis vor zwei Jahren in der Nähe der beiden alten Tunnel angelegt hat, "haben jetzt auch schon die ersten Fledis überwintert - und deren Nachwuchs wird es dann hoffentlich auch so halten."
Ein später möglicher elektrischer Betrieb per Fahrdraht wird durch die Tunnelabtrennung nicht behindert, entgegnet Schwolow auf die besorgte Frage von Gästen: "Wir haben das Gleis durch eine Spezialkonstruktion extra noch etwas tiefer gelegt, damit langt die Höhe für eine Stromschiene unter der Tunneldecke." Als "großes Glück für Fledermäuse und Zugverkehr" bezeichnet der Experte den Fakt, dass die historischen Tunnel auf dieser Bahnstrecke schon immer für eine zweigleisige Bahnstrecke angelegt wurden, obwohl im Forsttunnel immer nur ein einziges Gleis lag. "Das hier war anno 1872 die Schnellzugstrecke von Stuttgart in die Schweiz", so Hans-Joachim Knupfer: "Die Planer zu Königs Zeiten waren weitsichtig und haben für später erhofften Verkehrszuwachs auf Vorrat gebaut". Einen Seitenhieb auf die heutige Förderpolitik konnte sich Knupfer nicht verkneifen: " Da wird immer nur gerade so der aktuelle Bedarf ganz knapp abgedeckt - kein Wunder, dass gleich fast nichts mehr klappt, sobald mal ein Zug mehr oder länger fahren soll."
Die wirklich gute Botschaft ergab sich sozusagen eher zwischen den Zeilen der zahlreichen Erläuterungen der Fachleute: Beim Zweckverband ist man zuversichtlich, die restlichen Bauarbeiten in den nächsten knapp anderthalb Jahren so weit durchzuziehen, dass der planmäßige Zugverkehr im Jahr 2025 starten könnte. Die politischen "Baustellen" gehen indes weiter: "Als zweite Ausbaustufe brauchen wir den umsteigefreien und schnellen Metropolexpress zwischen Calw und Stuttgart, sonst wird unsere Bahnverbindung durch Stuttgart 21 vom übrigen Netz abgehängt", warnt Hans-Joachim Knupfer.